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Vision und Ziel – warum es immer beides braucht.

Vision und Ziel – warum es immer beides braucht.

Vision und Ziel – warum es immer beides braucht.

“Schneller, höher, weiter … das Motto der Olympischen Spiele der Neuzeit seit 1894. Anlässlich der eben beendeten Spiele werfe ich in diesem Blog einen Blick zurück auf, sehr schöne und teilweise beeindruckende Olympische Spiele in Paris. Bei solchen Großereignissen liegen sportliche Glanzleistungen und dramatische Wendungen oft dicht beieinander. Für viele Athletinnen und Athleten bedeutet der Traum von Olympia den Gewinn einer Medaille. Doch nicht alle treten an, um zu siegen. Gemäß Piere de Coubertins olympischem Gedanken, dass nicht der Sieg, sondern die Teilnahme zählt, nehmen auch viele teil, für die das Dabeisein die größte Ehre ist. In der Regel werden diese Athleten allerdings oft nur am Rande wahrgenommen, obwohl sie eine wesentliche Rolle spielen. Schließlich sollen die Olympischen Spiele ihrem ursprünglichen Sinn gerecht werden: als “Treffen der Jugend der Welt”, das dem sportlichen Wettkampf und der Völkerverständigung dient.

Die Olympischen Winterspiele waren für mich als Cheftrainer sportlich gesehen immer ein absolutes Highlight, da sie für meine Athletinnen und Athleten die wohl bedeutendsten Ereignisse ihrer Karriere darstellen. Genau hierin liegt die immense Herausforderung: Das Leistungsvermögen auf den Punkt genau bei diesen sportlichen Großereignissen abzurufen. Man könnte meinen, es sei einfach, bei jedem Wettkampf seine beste Leistung zu zeigen, schließlich bleiben die Bewegungsabläufe, eintrainierten Techniken und sportartspezifischen Anforderungen gleich – egal ob im Training, bei kleineren Wettbewerben oder bei den Olympischen Spielen. Doch die Rahmenbedingungen unterscheiden sich erheblich, und genau das macht es so schwierig, den Fokus auf die eigenen Stärken und die entscheidenden Faktoren zu behalten. Die Olympischen Spiele sind dabei eine Klasse für sich: Sie finden nur alle vier Jahre statt, das Medieninteresse ist enorm, und der Druck, eine Medaille zu gewinnen, ist allgegenwärtig. Es scheint, als zähle nur Gold, Silber oder Bronze, und alles andere sei eine Niederlage. Die Erwartungen des Umfelds konzentrieren sich ausschließlich auf Medaillen, das Leben im Olympischen Dorf ist eine große Umstellung zum gewohnten Alltag, und die Programmabläufe sind meist komplett anders als gewohnt. Dies und eine weitere Vielzahl spezieller Faktoren stellt eine enorme zusätzliche Herausforderung dar.

Für mich ist es bei hochkarätigen Wettkämpfen von entscheidender Bedeutung, Vision und Ziel klar voneinander zu trennen. Was bedeutet das? Die Vision repräsentiert das angestrebte Resultat oder Endergebnis. Sie sollte außergewöhnlich und lohnenswert sein, eine Quelle unglaublicher Motivation, sowohl in schwierigen Zeiten als auch in Momenten, in denen man sich des Sieges sicher fühlt. Diese Vision – das angestrebte Ergebnis – bleibt jedoch gedanklich im Hotelzimmer, wenn es um Training und Wettkampf geht. Denn der Fokus liegt auf den Zielen, die vollständig im Prozess verankert sind. Als Beispiel könnte das bedeuten: technische Fähigkeiten verbessern und abrufen, ein klares, prozessorientiertes Mindset bewahren, einen durchdachten Plan verfolgen, lösungsorientiert handeln und in jeder Situation die beste Version seiner selbst sein. Gelingt es, diese prozessbezogenen Ziele zu erreichen, wird die Vision, vorausgesetzt sie ist realistisch gewählt, fast zwangsläufig Wirklichkeit. Die spezifischen Prozessziele sind selbstverständlich individuell und werden von den Sportlerinnen und Sportlern in enger Zusammenarbeit mit ihren Trainern maßgeschneidert entwickelt. Das Erreichen des Ergebnisziels wird somit zum natürlichen Nebenprodukt der erfolgreich umgesetzten Prozessziele.

Anders ausgedrückt: Der Weg ist das Ziel. Bereits in der langfristigen, mittelfristigen und kurzfristigen Vorbereitung einen klaren Plan zu haben, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor dafür. Sich auf alle denkbaren Herausforderungen dieser Reise vorzubereiten, befähigt jeden Einzelnen, in schwierigen Momenten schnell, präzise und zielgerichtet zu reagieren. Dadurch bleibt die Fähigkeit erhalten, ohne wesentliche Einschränkungen lösungsorientiert an den zentralen Prozesszielen zu arbeiten.

Beim genauen Zuhören der Siegerinterviews während dieser Olympischen Spiele wurde mir erneut klar, wie essenziell diese Prinzipien für Spitzenathletinnen und Spitzenathleten sind. Die Aussagen der weniger erfolgreichen Sportlerinnen und Sportler zeigen oft, dass sie genau an den oben beschriebenen Mechanismen gescheitert sind. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel. Höchstleistungen, ob im Privatleben, in der Wirtschaft oder im Sport, müssen immer individuell betrachtet werden. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, seinen eigenen Weg zum Erfolg zu finden.

SCHWECHAT,AUSTRIA,12.AUG.24 – OLYMPICS, JUDO – Olympic Summer Games Paris 2024, reception Olympic Team Austria, Vienna International Airport. Image shows the rejoicing of Valentin Bontus, Lara Vadlau, Jakob Schubert, Lukas Maehr and Jakob Schubert (AUT). Photo: GEPA pictures/ David Bitzan